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Porsche Carrera S aus 2009 bringt 385 PS auf die Strasse

2015 hatte ich die Freude, den Porsche 918c Cayman GTS  zu fahren. Mein Fazit nach dem Test war eindeutig:

… unglaubliche Performance, unglaublicher Spass, allerdings sollte man sich die dynamischen Dämpfer gönnen und auch das Doppelkuplungsgetriebe – sonst wird der Spass recht schnell nervig. …“ (Artikel Porsche Cayman GTS – all hell breaks loose)

Denkt man etwas länger über den Cayman nach, merkt man doch recht bald, dass auf mehrere Jahre gedacht die Investition in den teuren kompakt Sportler vielleicht nicht so sinnvoll erscheint, wenn man für deutlich weniger Geld gebrauchte 911er aus den Modelljahren 2009-2012 bekommt und diese vom Werterhalt deutlich stabiler erscheinen als die Cayman. Stellt sich die Frage, ob ein 7 Jahre altes Auto besser ist als ein gerade neu erschienenes?

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Mk2 bringt geänderte Rückleuchten – dieser S hat keinen störenden Scheibenwischer am Heck

Mit dem 997  hatte Porsche 2004 nach dem Spiegeleier 996 den Fans wieder einen richtigen 911 geliefert, der spätestens ab der zweiten Modellgeneration (Mk2 ab 2009) zu den angeblich zuverlässigsten, alltagstauglichsten und besten Sportwagen gehört die man kaufen kann.

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In 2004 bringt der 997 alte 911er Tugenden zurück

Die letzten 9 Monate habe ich nun damit verbracht herauszudestillieren welches der ideale 997 wäre.
Hier meine „must have“ Liste:

  • Carrera S mit 385 PS und dem Direkteinspritzer 6-Zyl. Boxer
  • PDK
  • Tempomat
  • PASM
  • Xenon
  • Porsche Approved

Die Begründung für die Liste ist einfach – damit der 911er genauso viel Spass macht, braucht man ein paar mehr PS als beim Cayman GTS, die Möglichkeit das Fahrwerk von Sport auf Normal anpassen zu können und PDK mit Tempomat für die Anreise zum Berg 😉

Interessanterweise ist die Auswahl in der Schweiz via AutoScout24.ch, was diese Wunschausstattung angeht, vergleichbar mit der bei Mobile.de für Deutschland. Ein Import muss es also nicht sein. Der hier gefahrene 911er erfüllt die Kriterien zu 100%, als einziges „Extra“ fehlt der Sportauspuff mit Klappen, aber das kann man verschmerzen. Nach nun ein paar Wochen der Suche und etwas Glück, habe ich diesen basaltschwarz metallic Wagen bei einem Porsche Zentrum in Zürich gefunden.

Das Fahrzeug präsentiert sich insgesamt in gutem Zustand und ist mit Zulassung in 12/2009 sowie 65.000km auf der Uhr auch noch vergleichsweise günstig. Der 911er soll 59.500 CHF kosten inklusive der Porsche Approved Garantie für 1 Jahr (die man noch um 2 Jahre erweitern kann).

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Innenraum aus den 2000er Jahren – sieht man, stört aber beim Fahren nicht

Der Innenraum kann nicht ganz verbergen, dass er aus den 2000er Jahren stammt, ist aber dennoch gut verarbeitet und die Ergonomie stimmt noch heute (von den PDK Schaltknöpfen mal abgesehen). Die Sportsitze nehmen auch breitere Hintern auf und bieten guten Seitenhalt – sind aber auch für längere Strecken sehr bequem. Schade, dass der Vorbesitzer nicht die Vollleder Ausstattung gewählt hat, das würde den Innenraum nochmals deutlich aufwerten.

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Sportsitze in Leder sind dabei – Vollleder am Armaturenbrett fehlt hier – dennoch hochwertig verarbeitet

Optisch stimmt das äußere Gesamtbild vom 997 Mk2. Klassische 911er Zitate, filigranere Rückleuchten und Standlichter als beim Mk1 sehen selbst nach vielen Jahren noch modern aus.

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Der MkII hat LED für Brems-, Blinker- und Standlicht. Xenon ist Serie, Kurvenlicht gab es als Option.

Das 19-Zoll Carrera S II Rad und die in Rot lackierten Bremssättel runden den Gesamteindruck ab.

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Rote Bremsen gibt es ab Werk nur für die S-Modelle

Serie beim S – das 4 flutige Abgassystem, welches den S deutlich von den Basis Carreras abhebt.

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Carrera S mit 4 Rohren am Heck

Leider hat der Vorbesitzer den Klappenauspuff nicht bestellt (könnte man für ein paar 1000 CHF aber nachrüsten…), dennoch bietet der Carrera S guten Sound aus dem Heck und macht Laune schon im Stand. Lästige Vibrationen halten sich dabei auch in kaltem Zustand weitgehend zurück und der 911er bleibt an Roten Ampeln manierlich. Insgesamt kann man den 11er sehr unauffällig durch die Stadt bewegen. Es fällt trotz der Leistung nicht schwer, die 50 km/h zu respektieren. Brav wie im Kleinwagen bewegt man sich durch die Stadt, das PDK hilft dabei mit frühem Hochschalten mit. Dank seiner kompakten Abmessungen und verhältnismässig guter Übersichtlichkeit sind selbst enge Stellen, ohne Sorgen zu bewältigen. Kein Vergleich zu dem in Zürich auch nicht gerade seltenen Lambos und Ferraris dieser Welt – damit fällt man auf, egal ob man es will oder nicht!

Hat man das Ortsschild passiert zeigt der Porsche sein anderes Gesicht. Mit einem kurzen heftigen Tritt auf das Gaspedal liefern Doppelkupplungsgetriebe, 6-Zylinder Boxer und Hinterachs-Differenzial die 385 PS und 420 Nm sowas von Ansatzlos aus, dass es einem die Mundwinkel in null Komma nix nach oben drückt. Dabei veranstaltet der Boxer im Heck angemessenes Spektakel und das Fahrwerk verlangt nach der ersten Kurve. Dank der sehr präzisen Lenkung lässt sich diese exakt anpeilen. Das Anbremsen könnte noch etwas zackiger gehen, vielleicht bin ich aber auch nur zu zaghaft unterwegs. Ist der Scheitelpunkt passiert, beginnt da Spiel von PDK, Motor und Hinterachsdifferenzial von Vorne. Die Mundwinkel sind zwischenzeitlich Oben fest getackert und mit jeder Kurve steigt das Vertrauen in das Fahrwerk und den Antrieb des 911er. Emotion auf kurvigen Landstrasse ist auf Augenhöhe mit dem Cayman GTS und bei der Performance muss sich das 7 Jahre Motor nicht verstecken!

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Ab Modelljahr 2009 gibt es den Benzindirekteinspritzer mit 385 PS im 997 S

Der grosse Vorteil vom 2009er 911 Carrera S ggü. dem radikaleren Cayman GTS aus 2015 ist ganz klar sein wesentlich harmonischeres Fahrverhalten im Reisemodus auf der Autobahn. Dank Tempomat und PASM mit Modus „Normal“ sind auch längere Strecken sehr gut verträglich. Die kompromisslose Härte des GTS geht dem Carrera S ab, ohne dabei die Kurvenfähigkeit zu reduzieren. Insgesamt fallen auch die Geräusche bei 120 km/h angenehm ruhig aus und eine Unterhaltung ist möglich – der Boxer Motor hält sich, im als Schongang ausgelegten 7ten Gang des PDK, angenehm zurück. Und wenn es dann doch mal die Notwendigkeit oder das Verlangen nach Power gibt – sie lauert allzeit sprungbereit im Heck! Mit 4,5s von 0-100km/h und 300 km/h top speed muss man sich um ausreichend Vortrieb in allen Lebenslagen keine Gedanken machen.

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Andere Autofahrer haben häufig Gelegenheit diesen Hintern anzuschauen…

Insgesamt trägt auch in dem Carrera das PDK maßgeblich zur Wandlungsfähigkeit bei. Das Spagat von GT like cruisen zu GP like racen gelingt dank dem Zusammenspiel von 7 Gang Doppel-Kupplungs-Getriebe von ZF, PASM-Sportfahrwerk mit 20 mm Tieferregung inkl. mechanischer Hinterachs-Quersperre und 380 PS Boxer hervorragend. Puristen werden den Handschalter bevorzugen – Leute die einfach, schnell und sicher präzise Fahren wollen das PDK mit Sport Chrono Plus. Denn dort kann man seinen GT in ein GP Auto verwandeln – mit einem Knopfdruck auf „Sport“!

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So would you buy one – yes!
Der Porsche 997 Carrera S in seiner zweiten Generation verbindet Grand Prix und Grand Turismo Feeling, mit einer gelassenen Alltagstauglichkeit die absolut beeindruckt. Jeder gefahrene Kilometer, jede Kurve, jede Beschleunigung bereiten unheimlichen Spass! Gleichzeitig hat der 997 S die Chance auf sehr guten Werterhalt in der Zukunft, gilt er doch als „nah am original Porsche“ und verfügt über solide Technik. Damit gewinnt er den direkten Vergleich mit dem jüngeren Cayman GTS.